Ernst Ludwig Kirchner
Werke von unbedingter Gegenwart

24. Januar – 19. März 2018

Arbeiten von Ernst Ludwig Kirchner und ausgewählte Werke aus Afrika.

Wer die Performance „Faust“  von Anne Imhof  im Deutschen Pavillon auf der 57. Biennale 2017 in Venedig gesehen und erlebt hat, wurde Zeuge einer  „unbedingten Gegenwart“, deren Essenz sich dem Betrachter unmittelbar, ja, im Augenblick mitteilt. So intensiv und existentiell ist Kunst wirklich selten.

100 und mehr Jahre zuvor war es der Künstler Ernst Ludwig Kirchner, der in und mit seinen Zeichnungen, Grafiken, Gemälden und Skulpturen dieses Gefühl von unbedingter Gegenwart sichtbar werden ließ. Nicht nur in den sogenannten Viertelstundenakten, die Kirchner quasi stenogrammartig auf sein Zeichenpapier notierte, sind wir Zeuge einer spontanen zeichnerischen Energiebündelung und -äußerung.  Auch Kirchners dynamischer, ja nervöser Pinsel- oder Bleistiftstrich, der durch alle Phasen seines Schaffens zu seinem persönlichen gestalterischen Kennzeichen wurde, steht für seine existentielle Interpretation des Expressiven. Wir als Betrachter sehen uns teils rauschhaften, teils freizügigen, jedoch immer mit Spannung aufgeladenen Werken gegenüber. Und diese Werke sind  suggestiv zu nennen.

Es ist nicht nur  – aber auch – jene Sehnsucht nach Ursprünglichkeit und jene suggestive Kraft, die Ernst Ludwig Kirchner in außereuropäischen Vorbildern stilistische Bestätigung suchen und finden ließ. Neben stilistischen Verwandtschaften, die jenseits eines rituellen Kontextes bestanden,  war es immer wieder die Andersartigkeit der Formen, die Kirchner an afrikanischen Figuren faszinierte und die er als Befreiung  aus den klassizistischen Schönheitsidealen der Zeit verstand. Beispielhaft für solche Korrespondenzen flankieren in der Ausstellung afrikanische Holzskulpturen und eine Reliquienfigur aus Metall aus dem 19.Jahrhundert als sinnliche Gegenüberstellung Kirchners Werke. Das Magische dieser Skulpturen und etliche formale Entsprechungen zeigen Kirchners Arbeiten in einem spannenden Kontext. Und nicht zuletzt ist es jene unbedingte Gegenwart, die sich dem Betrachter dieser Stammeskunst unmittelbar mitteilt, und die vermutlich auch Kirchner an der afrikanischen Kunst faszinierte.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog. In der Ausstellung werden ein Ölbild und Arbeiten auf Papier von Ernst Ludwig Kirchner zusammen mit  sechs  exquisiten afrikanischen Skulpturen gezeigt.

Katalog

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Auszug

“ Ernst Ludwig Kirchner war ein hypersensibler Künstler. Ohne seine Verletzbarkeit und seine emotionale und intellektuelle Offenheit gegenüber Ungewöhnlichem, ja Andersartigem, hätte er kein solch beeindruckendes Gesamtwerk schaffen können. Es zeugt von größter Intensität und unbedingter Gegenwart. Gleichzeitig gehen diese Qualitäten mit seinem lebenslangen Dilemma einher, kontinuierliche Bestätigung und Anerkennung zu brauchen. Wenn er diese nicht erhielt, suchte er offenbar Ablenkung von seinem subjektiv empfundenen Scheitern.“

Erika Schlessinger-Költzsch

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